Deutschland im Jahr 2007
Demokratie im Niedergang ?
Betrachten wir die aktuellen Verhältnisse in der Bundesrepublik,
dann müssen wir feststellen, dass sich der Rechtsstaat allmäh-
lich aufzulösen beginnt. Die Verleumdung von Arbeitslosen durch
führende Vertreter der so genannten Volksparteien, ihre Verwal-
tung und Kontrolle durch die eigens dafür geschaffenen regionalen
Ämter und die Verhetzung breiter Bevölkerungsschichten durch den
größten Vertreter der Presse sind dabei nur zwei Anhaltspunkte.
Die Vertreter der großen Parteien taktieren dabei auf eine
gefährliche Weise mit den Instrumenten der Machtsicherung:
Einschränkung der Bürgerrechte und Hinwendung zum Über-
wachungsstaat unter dem Vorwand eines "Kampfes gegen den
internationalen Terrorismus". Spüren sie doch deutlich den
Verlust an Akzeptanz innerhalb weiter Teile der Bevölkerung.
Mit anderen Worten: Es scheint so, als hätten wir nach wie
vor die freie Wahl, - aber nur zwischen Pest und Cholera.
Die volkstümliche "Presse der leichtgläubigen Massen" sieht
dabei lediglich ihren wirtschaftlichen Gewinn und wird zum
Instrument einer wechselseitigen Verstärkung faschistischen
Gedankengutes. Was sie übrigens nicht daran hindert, gegen
gewaltbereite Glatzköpfe einzutreten, die mancher gerne für
sich einspannt aber niemand wirklich haben will. Auch das
passt in ihr Konzept.
Und was das Leitmotiv des "Florida-Rolf" betrifft, der "in
seiner Villa am Palmenstrand der Karibik" die deutsche So-
zialhilfe verjubelt, so haben die unabhängigen Recherchen
amerikanischer Journalisten das Gegenteil bewiesen. Ihre
Erkenntnisse wurden in der International Herald Tribune
veröffentlicht.
Der zunehmende Verfall des Bildungssystems verstärkt schließ-
lich diesen verheerenden Mechanismus, der sich schon immer auf
die Dummheit und Unwissenheit der Mittelmäßigen eines Volkes
stützte. Die gebildeten Schichten, aber eben auch Teile der
eher realistischen Unterschicht, sind dagegen noch weitgehend
immun. Aber auch hier fehlt oft das Verständnis für historische
Abläufe, die bereits zum politischen und wirtschaftlichen Nie-
dergang der Weimarer Republik geführt haben. Anscheinend sind
auch die Schulen nicht mehr dazu in der Lage, das entsprechende
historische Wissen zu vermitteln.
Dass bisher noch kein Demagoge die verunsicherten "Deutschen
Realschüler" hinter sich geschart hat, die immerhin ca. 60%
der NPD-Wähler ausmachen, liegt wahrscheinlich nur daran, dass
in der dekadenten Bundesrepublik beim besten Willen keine
Persönlichkeit von Format für diesen Job zu finden ist.
Während die einen zu dumm dazu sind, sind die anderen dafür
zu bequem. Was könnte man auch von einem Parlament erwarten,
das dermaßen von pensionsberechtigten Beamten durchsetzt ist,
die anscheinend nicht das geringste Verständnis für die Er-
fordernisse der Wirtschaft oder die logischen Folgen der
Arbeitslosigkeit haben. Jetzt rächt sich, dass man nicht
rechtzeitig Anreize geschaffen hat, um auch andere Bevöl-
kerungsgruppen in das Parlament zu integrieren, die heute
noch mit ihrer Kandidatur für den Bundestag ihre wirtschaft-
liche Existenz riskieren.
Nebenbei bemerkt: Wer kann sich heute noch an die Gründungs-
väter der Bundesrepublik, an die Politiker der "ersten Stunde"
erinnern ? Egal ob Konrad Adenauer, Kurt Schumacher, Carlo
Schmidt oder Willy Brandt; jede dieser Persönlichkeiten bot
durch ihren Lebenslauf unter dem NS-Regime die Gewähr für
eine demokratische Ausrichtung des neu geschaffenen Staates.
Ein Staat übrigens, dessen Bürger größere wirtschaftliche
Probleme hatten als heute. Mag einem die Politik dieser Leute
im Detail auch nicht immer behagt haben, es waren jedenfalls
überzeugte Demokraten. Ein Bruch in dieser Tradition wurde
zum erstenmal unter dem CDU-Kanzlerkandidaten Rainer Barzel
sichtbar, über den die Presse (...ich glaube, es war der
Spiegel...) die anzügliche Bemerkung schrieb: "Er gehört
zur Generation der Beamten in der Politik. Er will befördert
werden."
Wen wundert es da noch, dass der Bundesgerichtshof in der
Vergangenheit immer wieder Gesetzesvorhaben korrigieren oder
zurückweisen musste, die nicht den verfassungsrechtlichen
Normen entsprachen. Obwohl die schlampige Arbeitsweise der
ewig zerstrittenen Volksvertreter bereits mehrfach in der
Öffentlichkeit gerügt wurde, hat sich seit den Zeiten Roman
Herzogs nicht viel an dieser Misere geändert.
All diese Faktoren könnten bald zu einer Entwicklung führen,
wie sie in der Weimarer Republik zu beobachten war. Gerade
deshalb ist es wichtig, sich an Menschen mit einem ausgeprägten
Charakter zu erinnern, die selbst unter schwierigen Bedingungen
für den Erhalt ihrer Prinzipien und einer rechtsstaatlichen Ord-
nung eintraten, die diesen Namen wenigstens andeutungsweise auch
verdiente. Selbst dann, wenn ihr Protest zunächst aussichtslos
erschien.
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Denn was im Dritten Reich die Juden waren, das
könnten bald schon die Arbeitslosen und die an-
gepasst lebenden Ausländer in der Bundesrepublik
sein. Eine Entwicklung, die Deutschland mehr
schaden als nutzen wird, weil damit nicht nur
auf natürlich gewachsene Kompetenzen, sondern
ebenso auf die dringend erforderliche "Frisch-
zellentherapie" verzichtet wird.
Auch die immer zahlreicher werdende Konkurrenz
im Ausland schläft nicht, sondern feiert auf
manchen sicher geglaubten Domänen Deutschlands
ihre fröhlichen Urstände. China ist mit seinen
Erfolgen im Fahrzeugbau, der innovativen Stahl-
industrie oder der Bereitstellung voll erschlos-
sener Industriegebiete mit dem dazugehörigen Heer
von billigsten Arbeitskräften nur ein besonders
krasses Beispiel dafür.
Kurz gesagt: Es muss verhindert werden, dass
künftig jeder seelische Krüppel eine Möglichkeit
erhält, alles abzuschießen was über seinem Horizont
fliegt. Auch die Spitzel, Denunzianten und Erpresser
in der Nachbarschaft finden sich viel schneller als
man glaubt, nicht nur unter jenen, die ihr "Handwerk"
in der ehemaligen DDR gelernt haben. Die Schäden
für Deutschlands freiheitlich-demokratische Grund-
ordnung könnten dann auf Dauer irreparabel werden.
Und es wird bald niemand mehr Freude an diesem Land
haben, auch nicht die Profiteure dieser Entwicklung.
Wolfgang Wiesner,
der Herausgeber von
BLUEPRINT magazine,
am 10. Januar 2007
P.S.
Wenn ich die heutigen Verhältnisse betrachte, werde
ich immer wieder an das folgende Bild erinnert:
Es zeigt den Münchener Rechtsanwalt und Juden
Dr. Michael Siegel, der im Anschluss an die
willkürliche Verhaftung eines seiner jüdischen
Klienten ins Polizeipräsidium ging, um sich zu
beschweren. Er konnte nicht glauben, daß Recht
und Gesetz plötzlich nichts mehr galten. Die
Nationalsozialisten ließen ihn diesen Protest
bitter büßen: Er wurde von SA-Männern empfangen,
sie verprügelten ihn und trieben ihn barfuß und
mit abgeschnittenen Hosen durch die Innenstadt
- mit einem Schild um den Hals, das die Auf-
schrift trug: "Ich bin Jude aber ich will mich
nie mehr bei der Polizei beschweren."
Viele Jahre später, im südamerikanischen Exil,
wurde ihm von einem Journalisten die Frage ge-
stellt, was er in diesem Moment der Erniedri-
gung gedacht habe. Seine Antwort darauf war:
"In diesem Augenblick habe ich gedacht: Ich
werde euch noch alle überleben."
Tatsächlich ist ihm das dann auch weitgehend
gelungen, denn er starb erst im Alter von 87
Jahren, was für seine Kriegsgeneration nicht
unbedingt selbstverständlich ist.
Vielleicht sind es gerade solche Menschen,
die das Land jetzt braucht, noch eher als die
smarten, angepassten Karrieristen, die mit
der Milch des Marketings gesäugt wurden und
denen man genauso misstrauen sollte wie jener
Gruppe von gut betuchten und anspruchsvollen
Pensionären, die ( wer eigentlich sonst ? )
das Land in ihrer "aktiven" Zeit herunter-
gewirtschaftet haben.
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